Kräuter aus der Natur verwerten

Werben(dpa) – Peter Franke sitzt vor seinem
«Un-Kraut-Laden» im Hotel «Zum Stern» in Werben (Spree-Neiße) inmitten eines Bergs von Holunderzweigen und schneidet die aromatisch duftenden weißen Blüten ab. Sein Tag beginnt früh um 6.00 Uhr mit dem Sammeln von Blüten, Kräutern und Blättern.

«Die musst Du im Morgentau ernten, dann bleiben sie auch zum Verarbeiten frisch», sagt der 66-Jährige und bringt eine große Schüssel Blüten in seinen Gewölbekeller-Laden.

Dort erwartet den Besucher eine unverhoffte, geballte Aromatherapie: In Dutzenden Papiersäcken stecken Lindenblüten, Kornblumen und Flieder. Würzige Noten kommen von Salbei, Spitzwegerich oder Schafgarbe. Die Wiesenkräuter hängen getrocknet und gebunden an Regalen. Auf die Verarbeitung warten getrocknete Heidel- und Wacholder- sowie Aroniabeeren. Fläschchen mit Sirup, Ölen, Essig, Blättermischungen für Tee oder Badezusätze ergänzen das Sortiment. Es scheint kein Kraut gewachsen, das der gelernte Koch nicht kennt.

Giersch ist Vitamin- und Mineralstoffbombe

Dem wohl hartnäckigsten Unkraut gilt Frankes wahre Liebe: Der Giersch, den viele Gärtner als kaum zu beherrschende Plage kennen, sei eine Vitamin- und Mineralstoffbombe. «Lieber aufessen, statt ausrotten», lautet seine Devise. Giersch schmecke wie Petersilie und Möhre, gehöre in jede Kräuterwürzmischung und werde im Volksmund auch «Zipperleinkraut» genannt. Es helfe gegen Rheuma, Gicht und Arthrose, ebenso bei Blasenentzündungen und Sonnenbrand, so der 66-Jährige, dessen Markenzeichen ein heller Strohhut mit Kräuterschmuck ist.

Sein Wissen hat der gebürtige Thüringer von der Mutter. «Ich bin damit aufgewachsen. In den Nachkriegsjahren gab es ja nicht viel zu kaufen. Deswegen ernährten wir uns vor allem aus der Natur», erinnert sich Franke. Los ging es im zeitigen Frühjahr mit den ersten Kräutern, im April und Mai kamen zarte Birkenblätter hinzu und im Herbst endete die Ernte mit Hagebutten. Die Kenntnisse aus der Kindheit haben ihn auch später begleitet, erzählt Franke. Doch erst vor zehn Jahren habe er sich mit einer Kräutermanufaktur einen Traum erfüllt, so der 66-Jährige. Vor 25 Jahren sei er «der Liebe wegen» in den Spreewald gekommen.

Meerrettich aus dem Spreewald

«Das Nationalgericht der Gegend ist Kräuterquark mit Leinöl. Im Spreewald liegt das Hauptanbaugebiet für Meerrettich. Ein besseres Antibiotikum gibt es übrigens nicht», meint Franke. Der Spreewald und seine Kräuterleidenschaft passten gut zusammen. Er wolle das Wissen über die heilende Wirkung dieser Naturprodukte bewahren. Mehrere Kochbücher mit ihm als Ko-Autor wurden bereits veröffentlicht. Das neueste Werk über die grüne Spreewald-Apotheke, das er gemeinsam mit einem Pharmazeuten geschrieben hat, kommt demnächst heraus. Gesundheit, die man schmeckt und Essen als Therapie sind Frankes neuestes Credo, gerade in Corona-Zeiten, wie er betont. «Wildkräuter stärken die eigenen Vitalkräfte, die wir jetzt so dringend brauchen.»

In seiner Spreewälder Kochakademie hat der Kräuterfan mit Prominenten und Kollegen gekocht. Seine «Unkraut-Akademie» besuchten Urologen und andere Mediziner. Jetzt veranstaltet er Seminare zur Anwendung von Heilpflanzen, zum Verarbeiten und Konservieren oder seinen Kaffeeklatsch mit Löwenzahnkaffee und Kräuteroblaten im großen Saal seines Hotels «Zum Stern».

«Franke ist ein echter Botschafter für den Spreewald und seine Produkte. Frische Zutaten aus dem Garten und vom Feld sind gefragt. Und selbst aus Unkräutern lassen sich schmackhafte und gesunde Gerichte machen, wie er beweist», sagt Birgit Kunkel, Sprecherin der Tourismus Marketing Brandenburg GmbH (TMB). Regionalität und gesundes Essen würden auch im Tourismus zu immer wichtigeren Themen.

Alte Gemüse- und Kräutersorten

«Ich bin ein glücklicher Mensch, weil ich viel ausprobieren durfte in meinem Leben», meint Franke. Alte Gemüse- und Kräutersorten wiederzuentdecken, sei einfach spannend. «Die Corona-Krise hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, unsere eigenen Wirtschaftskreisläufe in Schwung zu bringen», sagt der 66-Jährige, der mit fast 20 landwirtschaftlichen Erzeugern im Spreewald kooperiert.

Der Kräuterexperte schwört auf die gesunde Knolle Topinambur, die er zu Chips verarbeitet. «Keine andere Knolle ist so wohltuend für Magen und Darm.» Als Zuckerersatz sei Topinambur auch für Diabetiker geeignet.

Allein 100 Hektar der Pflanze baut die Lienig Wildfruchtverarbeitung aus dem Zossener Ortsteil Dabendorf an und verarbeitet sie zu Kindernahrung, Nahrungsergänzungsmitteln, Gemüsesäften und Tiernahrung. «Gesunde Vitalstoffe sind ein echter Markt. Da hat Franke den Nerv der Zeit getroffen und bringt das auch sehr authentisch rüber», sagt Geschäftsführer Frank Lienig. Gemeinsam arbeiten beide an einer «Un-Kraut-Schorle», die laut Liebig ein neues authentisches Spreewaldprodukt werden könnte.

Fotocredits: Patrick Pleul,Patrick Pleul,Patrick Pleul,Patrick Pleul,Patrick Pleul

(dpa)