Starke Waffen mit Nebenwirkungen: Was Biologika können

Bremen(dpa/tmn) – Sie kommen als Medikamente bei Rheuma oder Diabetes aber auch bei Krebs zum Einsatz: sogenannte Biologika. Das sind Arzneimittel, die mit Hilfe von Gentechnik in lebenden Zellen hergestellt werden.

Die größte Bedeutung haben die therapeutischen Antikörper. Der Vorteil: Sie wirken viel gezielter als herkömmliche Medikamente. Dafür sind sie deutlich teurer, und sie haben ihre Nebenwirkungen.

Auf dem Markt sind Biologika seit rund 20 Jahren. Etwa 180 derartige Wirkstoffe sind in dieser Zeit erschienen, sagt Pharmazeut Prof. Gerd Bendas vom pharmazeutischen Institut an der Universität Bonn. Typische Einsatzgebiete sind entzündliche Autoimmunerkrankungen, Krebsleiden oder Stoffwechselerkrankungen.

Den Unterschied in der Herstellung zu herkömmlichen Medikamenten erklärt Bendas anhand eines Beispiels: Während Insulin für Diabetiker früher zunächst aus der Bauchspeicheldrüse von Schweinen gewonnen, im Anschluss chemisch verändert und dann als Arzneimittel beim Menschen zum Einsatz kam, wird für ein Biologikum der entscheidende Genabschnitt des menschlichen Insulins zum Beispiel in eine Hefezelle eingesetzt, um dort Insulin zu produzieren.

Noch innovativer als Biologika, die fehlende körpereigene Strukturen ersetzen, sind die gentechnisch erzeugten therapeutischen Antikörper. Sie können bestimmte Strukturen spezifisch binden und dadurch hemmen. Vereinfacht formuliert bedeutet das: Bei einer Autoimmunerkrankung wie Rheuma legen sie nicht das ganze Immunsystem lahm, sondern sind auf bestimmte Stoffe programmiert – sie fangen zum Beispiel gezielt Signalstoffe ein, die die Entzündung vorantreiben.

Prof. Stefan Schewe von der Deutschen Rheuma-Liga erklärt, was das im Alltag für Betroffene bedeutet: Sie spritzen sich die Medikamente je nach Wirkstoff im Abstand von einer bis vier Wochen. Manche Mittel werden alle acht Wochen per Infusion verabreicht.

Je nach Erkrankung nehmen sie aber auch ihre bisherigen Medikamente, die sogenannten Basistherapeutika, weiter ein. Das hat zwei Gründe: Bei rheumatoider Arthritis etwa verstärken sie die Wirkung, erklärt Schewe. «Und sie verhindern die Antikörperbildung gegen das Biologikum.» Biologika sind Eiweißprodukte, gegen die der Körper sich normalerweise zur Wehr setzt.

Das heißt, die Medikamente haben mitunter unerwünschte Wirkungen. Die Patienten werden zum Beispiel anfälliger für Infektionen. Außerdem sind allergische Reaktionen oder Unverträglichkeiten möglich.

Pharmakologe und Gesundheitswissenschaftler Prof. Gerd Glaeske von der Universität Bremen hält bei der Therapie mit einem Biologikum die Dokumentation von Nebenwirkungen für wichtig. Patienten sollten ihrem Arzt gegenüber deshalb offen mit unerwünschten Wirkungen oder Problemen umgehen.

Obwohl sie die Therapie verbessern können, bekommen längst nicht alle Patienten Biologika. Bei Rheuma kommen sie erst zum Einsatz, wenn die Basismedikation nicht ausreicht, erklärt Schewe. Das habe vor allem ökonomische Gründe: Biologika seien um das 10- bis 100-fache teurer, als die Basismedikamente. Laut Glaeske liegen die Kosten bei 50 000 bis 100 000 Euro pro Patient und Jahr.

Etwas günstiger sind die sogenannten Biosimilars. «Das sind die ,Generika‘ der Biologika», erklärt Glaeske. Diese Mittel haben zwar die gleiche Wirkung wie die Originale, können aber eine abweichende Struktur haben und müssen noch einmal die klinischen Prüfungen zur Zulassung durchlaufen. Es sind also ähnliche, aber nie dieselben Mittel wie die Biologika. Die Kosten für die Biosimilars sind laut Glaeske etwa 20 bis 30 Prozent niedriger als für Biologika, die Qualität sei aber die gleiche.

Fotocredits: Karl-Josef Hildenbrand,Barbara Frommann,Gerd Glaeske

(dpa)