Schnüffelnasen helfen Allergikern: Hunde auf Ambrosia-Suche

Berlin – Arwen ist vielleicht die am besten erzogene Hundedame Berlins. Ein Kommando, manchmal nur ein Blick, und der lebhafte Schafspudel mit weißen Schlappohren pariert.

Wenn Halterin Katja Krauß «Ambrosia» ruft, rast Arwen mit ihrer Schnüffelnase am Boden an Vorgärten und Parkwegen entlang. Legt sie sich hin und schaut nach oben, ist sie fündig geworden: Ambrosia. Dann gibt es ein Leckerli zur Belohnung.

Ambrosia, die wie harmloses Unkraut aussieht, ist mit ihren Pollen der stärkste Allergie-Auslöser Mitteleuropas. «Fünf bis zehn Pollen pro Kubikmeter Luft reichen, um sensibel darauf zu reagieren», sagt Thomas Dümmel, Meteorologe an der
Freien Universität Berlin (FU).

An seinem Institut gehen die Pollen in die Falle – und ihre Konzentration in der Luft wird analysiert. Ab nächster Woche blühe Ambrosia wieder – «rund zwei Wochen früher als sonst», so Dümmel. Wärmere Herbste und spätere Fröste trügen dazu bei, dass Ambrosia zu den Klimawandel-Gewinnern zählt.

Heuschnupfen-Geplagte wissen, was das bedeutet: Augenjucken, Niesen, Kribbeln. Ambrosia oder Traubenkraut, eingeschleppt über Getreidelieferungen aus den USA und Vogelfutter aus Osteuropa, verlängert ihre Leidenszeit bis weit in den Oktober hinein.

«Berlin hat mit einer einjährigen und einer mehrjährigen Variante gleich ein doppeltes Problem, das gibt es bisher in keiner anderen Region», sagt Dümmel. Mit seinem Team an der FU hat er Ambrosia seit 2009 im Visier. In den vergangenen Jahren bewilligten die Arbeitsagenturen in vielen Bezirken Beschäftigungsprogramme, bei denen von der FU Berlin geschulte Ambrosia-Scouts die Verbreitung kartierten und die Pflanze möglichst auch ausrissen. Für die Kartierung gibt es zwar den Ambrosia-Atlas und eine Ambrosia-App fürs Handy, aber dafür müssen Berliner die Pflanze erst einmal erkennen.

Dann kam Katja Krauß die Idee: Warum nicht Hunde suchen lassen? «Sie haben sowieso die besseren Nasen», sagt sie. Bei Thomas Dümmel stieß das auf offene Ohren.

Mit Hunden kennt Katja Krauß sich aus. Sie hat eine Hundeschule und Erfahrung bei der Bekämpfung manch anderer Übel. Schafspudel Arwen, sieben Jahre alt, spürt auch erfolgreich Schimmelpilz auf. Ein halbes Jahr hat Krauß sie trainiert, damit sie zudem Ambrosia findet.

Nun will sie andere Halter motivieren, ihre Hunde als Ambrosia-Scouts ausbilden zu lassen – auch aus Liebe zum Tier. «Gassigehen allein reicht oft nicht», sagt sie. «Hunde sind intelligente Tiere, sie wollen auch geistig gefordert werden.» 15 Minuten Suchen sei für sie so anstrengend wie zwei Stunden neben einem Fahrrad herzulaufen. Kartieren oder ausrupfen muss Ambrosia dann aber der Mensch. Dümmel und Krauß sind sich einig: Ohne Hilfe der Bevölkerung ist dem Traubenkraut in Berlin nicht mehr beizukommen.

Hunderassen, die sich nicht als Ambrosia-Scouts eignen, seien Möpse und englische Bulldoggen, erklärt Krauß. «Sie haben sowieso schon Probleme beim Atmen.» Ab Juli bietet sie für Hunde einen Ambrosia-Schnüffelkurs an. Die Schulung kostet die Halter Geld. Wenn ihr Vierbeiner schon gelernt hat, Dinge zu suchen, sind es rund 165 Euro. Während der Hund die Praxis büffelt, sollen Halter die Theorie über Ambrosia lernen. Auch, wie man die Pflanze ohne Allergie-Gefahr ausrupft und fachgerecht entsorgt.

Zu den wachsenden Allergie-Beschwerden gibt es Daten: «In den vergangenen 30 Jahren hat sich die Pollensaison in Deutschland schon deutlich verlängert. Aber sie ist auch intensiver geworden», sagte kürzlich der Leiter des Allergie-Centrums der Berliner Charité, Torsten Zuberbier.

Rund 15 Prozent der Bundesbürger leiden laut Robert Koch-Institut (RKI) an Heuschnupfen. Unter rund 6500 getesteten Berlinern hätten bereits jetzt elf Prozent eine Sensibilisierung oder Allergie gegen Ambrosia, berichtet Dümmel. «Die Gefahr, Ambrosia-Allergiker zu werden, ist damit doppelt so hoch wie bei anderen Pflanzen.»

Wie die Lage künftig in ganz Europa aussehen könnte, haben Forscher errechnet. Demnach könnte sich die Zahl der Betroffenen bis zum Jahr 2060 mehr als verdoppeln – auf bis zu 77 Millionen, berichteten sie im Fachblatt «Environmental Health Perspectives». Ursachen sind vor allem der Klimawandel und die dadurch begünstigte Vermehrung der Pflanze. Die größten Zuwächse sind laut Studie unter anderem in Deutschland zu erwarten.

Fotocredits: Monika Skolimowska
(dpa)

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